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Europas größter Softwarehersteller SAP wechselt überraschend seinen Chef aus und wird künftig von einer Doppelspitze geführt. An die Stelle von Léo Apotheker treten gleichberechtigt US-Chef Bill McDermott und Entwicklungschef Jim Hagemann Snabe. Für die Experten des Marktforschungsinstituts Forrester könnten die beiden Nachfolger allerdings nur Lückenbüßer sein.

Frankfurt, Februar 2010– Überraschung bei SAP: Leo Apotheker, erst seit weniger als zwölf Monaten Chef des weltgrößten Herstellers für Firmensoftware, legt mit sofortiger Wirkung sein Vorstandsmandat nieder. Zu seinen Nachfolgern wurden Bill McDermott, verantwortlich für Vertrieb, und Jim Hagemann Snabe, verantwortlich für Produktentwicklung, ernannt. Damit kehrt SAP nach nur neun Monaten zu seiner Doppelspitze zurück.

Die Nachricht ist ein Paukenschlag. Zwar war die Kritik an Apotheker immer lauter geworden. Zum einen stieß sein rabiater und sehr direkter Führungsstil auf eine wachsende Gegenwehr. Auch der unzureichende Umgang mit Kunden, etwa bei der mittlerweile gescheiterten Erhöhung der Wartungspreise, wird ihm angelastet. Sie hatte zu einer massiven Verstimmung der Kunden geführt. Dennoch hatte es zuletzt so ausgesehen, als würde man bei SAP Apotheker noch eine Chance geben, um nicht schon nach so kurzer Zeit einen erneuten Wechsel an der Spitze zu haben.
„Man konnte nicht von Herrn Apotheker erwarten, in der schlechten Wirtschaftslage Wunder zu vollbringen. Andererseits zeigte er sich eher defensiv als dass er auf Verantwortung und Versöhnung mit seinen Kunden setzte“, kommtiert das Marktforschungsunternehmen Forrester Research.

Gleichzeitig hatten sich aber in Walldorf hartnäckig die Gerüchte gehalten, der SAP-Aufsichtsrat um dessen Chef und Unternehmensmitgründer Hasso Plattner plane die Rückkehr zu einer Doppelsitze. Dabei war stets auch der Name Hagemann Snabe gefallen. Er ist für die Produktentwicklung verantwortlich. Nicht zuletzt Plattner zählt zu denjenigen, die einen IT-Experten und Entwickler an der Spitze der SAP bevorzugen.

SAP-Aktien rückten am Morgen in den Fokus der Anleger, die Aktie gab vorbörslich rund 1,6 Prozent nach. Laut Heino Ruland, Marktstratege bei Ruland Research, dürfte der plötzliche Rücktritt viel mit der eher schleppenden Geschäftsentwicklung einiger Bereiche zu tun haben, wie etwa der immer wieder verschobenen Markteinführung der Unternehmenssoftware on-demand (Business Bydesign).

Mit Henning Kagermann, der im Mai vergangenen Jahres altersbedingt als SAP-Chef ausgeschieden war, war das bis dato auch der Fall gewesen. Mit der Amtsübergabe an Apothker hatte allerdings ein Vertriebsexperte das alleinige Ruder übernommen.

Mit McDermott wiederum holt sich SAP ausgesprochene Vertriebs- und Marketingerfahrung an die Spitze. Der Manager hat das US-Geschäft von SAP in den zurückliegenden Jahren deutlich nach vorne gebracht. Erstmals wird SAP damit von zwei Managern geführt, die nicht deutscher Herkunft sind.

Bei SAP ist es Tradition, Vorstandsmitglieder an die Unternehmensspitze zu heben. Dieses Mal seien die beiden Nachfolger allerdings nicht die nächsten in der Hierarchie, sondern einfach Lückenbüßer, so Forrester Research. „Es sieht aus wie ein Provisorium, das nicht lange haltbar ist. Diese Berufung zweier Vorstandsmitglieder lässt vermuten, dass weder intern noch extern ein überzeugender Kandidat gefunden wurde.“

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