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11.5.2000 – MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) 08.05.2000 – Der ums
Überleben kämpfende Softwarekonzern Baan hat die Hoffnung
auf eine Gesundung des Konzerns offenbar aufgegeben und bemüht
sich

Bull-Sprecher Didier Krainc bestätigte erste Gespräche
mit Baan.

Nach einem Bericht des „Wall Street Journal“ bemüht sich
das Baan-Management zusammen mit der Investment-Bank Lazard
Frères um finanzstarke Partner. Allerdings scheint das
Interesse an einem kompletten Kauf des niederländischen
Konzerns sehr gering zu sein. SAP-Sprecher Herbert Heitmann
erklärte gegenüber der US-Publikation, die Walldorfer
hätten „absolut kein Interesse“ an einer Partnerschaft oder
einer Investition. Vielmehr arbeite man derzeit an
Softwarelösungen, mit denen Unternehmen leichter von Baan- auf
SAP-Anwendungen umstellen könnten. Diese Tools sollen im Laufe
des Jahres auf den Markt kommen. „Es gibt wahrscheinlich Firmen in
Baans Kundenstamm, die daran Interesse haben könnten,“
fügte Heitmann hinzu. SAP spekuliert offenbar vielmehr darauf,
Baan-Kunden für sich zu gewinnen. Das ist allemal billiger,
als das defizitäre Unternehmen aufzukaufen.

Als Käufer kommen eher Partner und Kunden in Frage. Der
Baan-Kunde Bull scheint einer Investition in den
niederländischen Konzerns nicht abgeneigt zu sein.
Bull-Sprecher Didier Krainc bestätigte erste Gespräche
mit dem Softwarehaus, die jedoch noch sehr „hypothetisch“ seien.
Allerdings habe die französische IT-Gruppe kein Interesse an
einem Untergang von Baan.

Offiziell hat Baan keinerlei Verhandlungen bestätigt. Von
Marketing-Chefin Katrina Roche hieß es lediglich, es
bestünde nach wie vor die Möglichkeit, das gesamte
Unternehmen oder Teile davon zu veräußern. Gerade
letztere Variante scheint Pierre Everaert, Baans Interim-Chef, gut
informierten Kreisen zufolge zunehmend zu favorisieren. Im Februar
hatte der Konzern sich bereits von seinem Finanzbereich Coda
getrennt, der für 50 Millionen Dollar an das britische
Beratungshaus Science Systems ging (CW Infonet berichtete). Danach
war gemunkelt worden, Baan wolle auch Caps Logistics, seine
Transport-Management-Software, verkaufen. Der niederländische
Konzern dementierte jedoch (CW Infonet berichtete). In Kürze
soll nun die Aurum-Division in eine eigenständige Tochterfirma
ausgelagert und an die Börse gebracht werden. Direkte positive
Auswirkungen auf den Baan-Aktienkurs erwartet sich das Management
durch das Going Public der Front-office-Einheit allerdings
nicht.

Die Pechsträhne des einstigen Börsenstars begann vor
zirka drei Jahren mit einem Bilanzierungsskandal und dem
Ausscheiden des Firmengründers Jan Baan. Es folgten zwei CEOs
(Chief Executive Officers), die es jeweils nicht einmal ein Jahr
bei Baan aushielten – Tom Tinsley war nach knapp zehn Monaten im
Amt gegangen, und Mary Coleman hatte Anfang dieses Jahres nach nur
sieben Monaten das Handtuch geworfen. Zwar hatten auch andere
ERP-Anbieter in den letzten zwei Jahren zu kämpfen; mit sieben
defizitären Quartalen in Folge war es für Baan jedoch
besonders bitter. Erst vor zwei Wochen wies das Unternehmen einen
unerwartet hohen operativen Verlust von 75 Millionen Dollar aus –
trotz der Veräußerung von Coda und von Beteiligungen an
der spanischen Softwareschmiede Meta4. Und die Spirale scheint
weiter nach unten zu gehen: Die Kunden verhalten sich seit Monaten
abwartend, kaufen keine Produkte, die Umsätze schrumpfen.

Ende letzter Woche sank der Baan-Aktienkurs dann unter drei
Euro. Dies wird als kritische Grenze in einem Finanzierungs-Deal
mit Bear Stearns International gehandelt. Die Investment-Bank hatte
sich bereit erklärt, für 150 Millionen Dollar
schrittweise Baan-Anteile zu erwerben, solange ein gewisser
Mindestpreis nicht unterschritten wird. Ein Baan-Sprecher
erklärte jedoch, das vereinbarte Aktienkaufprogramm mit Bear
Stearns werde fortgesetzt. An der Frankfurter Börse
eröffnete das Papier heute mit 2,75 Euro, sank im
morgendlichen Handel dann auf 2,71 Euro.

Weitere Informationen erhalten Sie unter www.baan.com.