Seite wählen

Der US-Softwarehersteller Siebel tut sich
zunehmend schwer, seinen Kernmarkt gegen den Ansturm des deutschen
Rivalen SAP zu verteidigen. Der deutsche Softwarekonzern SAP holte
im Wettbewerb mit dem US-Konkurrenten um die wachstumsstarke
CRM-Software auf.

„Wir haben uns für SAP entschieden, weil wir bei der
Integration mit unseren bestehenden Systemen mehr Vertrauen zu SAP
hatten“, sagte ein Projektverantwortlicher des Automobilkonzerns
Volkswagen der FTD. Volkswagen will die SAP-Software im gesamten
Konzern einführen. Die weit reichende Entscheidung des
weltweit drittgrößten Fahrzeugherstellers wirft ein
Schlaglicht auf den umkämpften Markt zur Verwaltung von
Kundenkontakten (Customer Relationship Management, CRM), den Siebel
nach einer Analyse des Marktforschungsunternehmens Frost &
Sullivan mit einem Marktanteil von 18 Prozent (2001) anführt.
CRM gilt trotz eines Umsatzrückgangs im Jahr 2001 als eine der
Wachstumskategorien im Geschäft mit Unternehmenssoftware.

Auch der deutsche Softwarekonzern SAP hat seit geraumer Zeit den
Markt gewittert und den Umsatz der Sparte CRM im vergangenen Jahr
mehr als verfünffacht, schätzt das Beratungsunternehmen
Gartner. Im zweiten Quartal hat die Produktkategorie nach Angaben
von SAP für etwa 101 Mio. Euro Umsatz gesorgt, das entspricht
etwa einem Fünftel des Geschäfts mit neuer Software und
einem Rückgang von drei Prozent gegenüber dem
Vorjahreswert. Siebel hatte im zweiten Quartal 170 Mio. $ mit
Software umgesetzt, 40 Prozent weniger als im Jahr zuvor.

Kritik an SAP-Zahlen

SAPs Zahlen zum CRM-Geschäft werden allerdings von
Konkurrenten – nicht zuletzt Siebel – kritisiert, weil SAP seine
Software in Paketen verkauft, die verschiedene Funktionen
bündeln. Bei einem Projekt zur Optimierung der Produktion
bezahlt der Kunde so bisweilen auch CRM-Software, obwohl diese
Funktion gar nicht genutzt wird – weil der Paketpreis
günstiger ist als die Einzelberechnung der Komponenten. Nach
Auskunft von SAP wird der Anteil von CRM jedoch von
unabhängigen Instituten ermittelt. Auch die lautstarke Kritik
an den SAP-Zahlen gehört zu den Symptomen eines rauer
werdenden Klimas auf einem Markt, der nach Einschätzung des
Beratungsunternehmens PAC in einer aktuellen Studie „von
Konsolidierung geprägt sein wird“.

Nach Einschätzung von PAC wird vor allem SAP Marktanteile
gewinnen, gefolgt von Siebel, Oracle und Peoplesoft. Bei Volkswagen
gehörten die beiden Rivalen Siebel und SAP zu den ernsthaften
Kandidaten bei der Einführung eines CRM-Systems. Die Angebote
von Oracle und Peoplesoft auf diesem Gebiet schafften es bei der
Prüfung durch Volkswagen im Jahr 2000 nicht bis in die
Endrunde.

SAP bei CRM-Software im Vorteil

Da SAP-Software im Volkswagen-Konzern auch Kernfunktionen wie
Personalplanung und Buchhaltung übernimmt, hatte sich das
Unternehmen für das Angebot von SAP und gegen Siebel
entschieden. Die von VW verwendete SAP-Software ist allerdings um
einige Funktionen erweitert, die offiziell erst in einer der
kommenden Versionen des von SAP verkauften Produktes verfügbar
sein werden. Auf dieser Basis hat sich Volkswagen entschieden,
SAP-Software zum konzernweiten Standard für den Kontakt mit
Autokäufern zu erklären.

SAP setzt auf diese Kombination aus Maßanfertigung
für Vorzeigekunden und Integration mit bestehender
SAP-Software, um die aktuelle Krise im Softwaregeschäft
abzumildern. Auf der Kundenkonferenz Sapphire in Lissabon hatte der
Konzern in der vorigen Woche die Aufstockung seiner Abteilung
für Maßanfertigungen auf 500 Mann angekündigt.
Rüdiger Spiess von der Meta Group sieht derzeit „riesige
Probleme“ für Siebel. SAP und andere Anbieter traditioneller
Unternehmenssoftware haben seiner Einschätzung nach inzwischen
bei CRM-Software aufgeholt und seien nun im Vorteil, weil ihre
Software enger mit den traditionellen Geschäftsanwendungen wie
Buchhaltung, Personalwesen oder Produktionsplanung verknüpft
ist. Spiess: „Dieser Vorteil von Unternehmen wie SAP wird mit der
Zeit immer deutlicher werden.“

© 2002 Financial Times Deutschland