Kopenhagen-Larry Ellison, Gründer und
Chef des Softwareherstellers Oracle, sieht harte Zeiten auf die
Softwarebranche zukommen. Oracle scheut sich davor, Prognosen
für das zweite Halbjahr abzugeben.
Auf der europäischen Kundenmesse seines Konzerns in
Kopenhagen sagte Ellison: „Die IT-Budgets von Unternehmen sind noch
immer knapp bemessen. Viele kleine Softwarefirmen werden die Krise
nicht überleben.“ Am Ende würden die Großen wie
etwa IBM, Microsoft, Oracle oder SAP übrig bleiben und
profitieren, weil viele kleinere Rivalen verschwunden seien. „Es
ist ein brutales Schlachtfeld da draußen“, sagte Ellison
weiter.
Sehnsüchtiges Warten
Hersteller von Unternehmenssoftware wie Oracle, Peoplesoft, SAP
oder Siebel warten sehnsüchtig darauf, dass die
Wirtschaftslage besser wird. Erst dann können die Konzerne
darauf hoffen, dass Firmenkunden wieder mehr Geld in IT-Projekte
stecken. Derzeit herrscht in der Branche allerdings Unklarheit,
wann der Aufschwung kommt. Analysten und Investoren beachten
deshalb jede Äußerung der großen
Softwarehersteller über den künftigen
Geschäftsverlauf mit besonderem Interesse.
Das Oracle-Management konnte auf der Konferenz in Kopenhagen
keine Entwarnung melden. Sergio Giacoletto, Europachef von Oracle,
sagte, dass er in diesem Jahr nicht mit einer Besserung der Lage
rechnet. „Und wie es nächstes Jahr aussieht, wissen wir
nicht“, so Giacoletto weiter. Es sei derzeit schwer, Voraussagen zu
machen, weil Unternehmen keine großen IT-Projekte mehr
vergeben würden. „Das Geschäft ist schwieriger und
unberechenbarer geworden.“ Auch was die mittelfristige Zukunft in
seinem Verantwortungsbereich angeht, rechnet Giacoletto nicht mit
einer Rückkehr in die goldenen Zeiten der 90er Jahre. „In den
nächsten drei oder vier Jahren wird der Softwaremarkt in
Europa kein Wachstum im zweistelligen Prozentbereich erzielen.“
Dabei lief es für Oracle im abgeschlossenen
Geschäftsjahr noch verhältnismäßig gut in der
Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika (EMEA), die Giacoletto
verantwortet. Hier sank der Umsatz des Konzerns im Vergleich zum
Vorjahr um 2,2 Prozent auf 3,05 Mrd. $. In Nord- und
Südamerika musste Oracle dagegen einen Umsatzverlust von 16,7
Prozent auf 5,29 Mrd. $ hinnehmen. Weltweit verlor Oracle 15,7
Prozent des Umsatzes auf 9,67 Mrd. $. Der Gewinn sank im Vergleich
zum Vorjahr um 23,3 Prozent auf 2,2 Mrd. $. Oracle erwirtschaftet
80 Prozent seines Umsatzes mit Datenbanksoftware. Hier ist das
Unternehmen Marktführer. Die übrigen 20 Prozent stammen
aus der Sparte Unternehmenssoftware.
Europachef Giacoletto erklärt das bessere Abschneiden in
der Region EMEA hauptsächlich mit den zahlreichen
Schwellenländern in Osteuropa, Afrika und dem Mittleren Osten.
„Das sind noch Wachstumsmärkte, da viele Unternehmen nicht
über moderne Informationstechnologie (IT) verfügen.“ Die
Erfolge in den Schwellenländern können die eingefrorenen
IT-Ausgaben von Unternehmen in den großen Industrienationen
jedoch nicht ausgleichen.
Giacoletto berichtet von zahlreichen Projekten, die zwar
genehmigt seien, aber vom Aufsichtsrat der jeweiligen Unternehmen
wegen der Wirtschaftslage von Quartal zu Quartal verschoben
würden. Die auf Eis liegenden Verträge bringen deshalb
keinen Umsatz für Oracle.
Scheu vor Prognosen
Angesichts der Lage scheuen sich sowohl Oracle als auch die
Rivalen Siebel und Peoplesoft, Prognosen für das zweite
Halbjahr abzugeben. Siebel und Peoplesoft hatten Mitte Juni sogar
Aussagen gemacht, die bei Analysten Zweifel weckten, ob die
Unternehmen ihre Ziele für dieses Quartal erreichen werden.
Auch Oracle-Finanzchef Jeff Henley rechnet mit einem schlechten
Quartal. Vergangene Woche sagte er, dass der Umsatz im Quartal bis
Ende August um bis zu 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr
zurückbleiben könnte. Einzig SAP wagt eine Prognose und
hält an einem Umsatzwachstum von 15 Prozent in diesem Jahr
fest.
Quelle: © 2002 Financial Times Deutschland