Seite wählen

Der kalifornische Softwarehersteller Oracle
verkleinert seine Sparte Unternehmenssoftware. Analysten sehen
ganze Softwarebranche auf Talfahrt.

Eine Sprecherin bestätigte am Montag (Ortszeit), dass 200
Mitarbeiter – etwa zwei Prozent der 10.000 Oracle-Programmierer –
zum Ende des Geschäftsjahres am vergangenen Freitag
gekündigt worden ist. Mit Entlassungen in diesem Bereich, der
direkt mit dem deutschen Anbieter SAP konkurriert, untermauert
Oracle pessimistische Analystenprognosen über die Entwicklung
des eigenen Umsatzes und die Aussichten der gesamten
Softwarebranche.

Neil Herman, US-Analyst der Investmentbank Lehman Brothers,
hatte in einer Mitteilung vom Montag vermutet, dass SAP und Oracle
im Juni Stellen in den USA streichen würden. „Der
wahrscheinliche Stellenabbau spiegelt das äußerst
schwierige Softwaregeschäft in den USA wider“, hieß es
in der Mitteilung.

SAP hatte vor zwei Wochen sein US-Management umgebaut, nachdem
das Kerngeschäft – Software für Unternehmensabläufe
wie Buchhaltung oder Produktion – zwischen Januar und März
dort um über 27 Prozent geschrumpft war. Bei Oracle war der
Verkauf von Anwendungsprogrammen zwischen Dezember und Februar um
25 Prozent eingebrochen. Auch bei Datenbanken, Oracles
Hauptprodukt, gingen die Einnahmen um 16 Prozent zurück.

Eine Frage der Qualität

Oracle leidet nicht nur unter den weniger großzügigen
Investitionen in E-Business-Projekte, die SAP und dem gesamten Rest
der Branche zu schaffen machen. Die Anwendungssoftware von Oracle
war – anders als die Datenbanken – in den Augen von Analysten und
Kunden lange Zeit von Qualitätsproblemen geplagt.

Im Heimatmarkt Kalifornien streitet sich Oracle zudem seit
Wochen mit einem mächtigen Großkunden, der Verwaltung
des Bundesstaates Kalifornien. Ein Rechnungsprüfer hatte im
April beanstandet, dass Oracle die Behörden beim Verkauf von
Datenbanksoftware übervorteilt hat. Oracle beharrt darauf,
dass der Preis von 94,6 Mio. $ gerechtfertigt ist und die
Verwaltung des reichsten US-Bundesstaates dank des Einsatzes von
Oracle-Programmen über 100 Mio. $ einsparen kann. Der Streit
fällt für Oracle in eine besonders unglückliche
Zeit: Traditionell beeilen sich Softwarefirmen im letzten Monat
eines Quartals mit dem Abschluss von Verträgen besonders, weil
die Einnahmen nach Abschluss sofort verbucht werden
können.

Die Käufer von Unternehmenssoftware wissen, dass ihre
Lieferanten zum Quartalsende unter Erfolgsdruck stehen, und richten
ihre Preisverhandlungen danach aus. Analysten vermuten nun, dass
der Streit mit dem Bundesstaat Kalifornien andere Oracle-Kunden in
den USA dazu verleitet haben könnte, die Verträge nicht
mehr – wie von Oracle erwartet – im Mai abzuschließen. Einer
Erhebung des Finanzdatendienstleisters Thomson First Call zufolge
erwarten Analysten, dass Oracle am 18. Juni einen Umsatz von 2,6
Mrd. $ für das Quartal von März bis Mai ausweist, ein
Minus von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Quelle: Financial Times Deutschland