In der IT-Branche bestehen Zweifel, ob der
Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte tatsächlich
eintritt. Davon betroffen sind Unternehmen wie SAP, Oracle und
Siebel.
Das jüngste Beispiel für die Unsicherheit über
die zukünftige Geschäftsentwicklung lieferte Craig
Conway, der Chef des US-Softwarekonzerns Peoplesoft. Obwohl der
Manager trotz wirtschaftlicher Flaute im Vergleich zum
Vorjahreszeitraum einen Gewinnsprung um 28 Prozent auf 44,5 Mio. $
bekannt gab, sagte Conway: „Wir machen keine Aussage zum zweiten
Halbjahr. Wir wissen einfach nicht, wann unsere Kunden wieder mehr
investieren werden.“ Charles Phillips, Analyst von der
Investmentbank Morgan Stanley, verstand die Zurückhaltung und
sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters: „Momentan ist
es einfach vernünftig, sich bedeckt zu halten.“
Weil Firmenkunden ihre IT-Ausgaben verschieben, musste in der
vergangenen Woche auch EDS, der Vorzeigekonzern der
IT-Dienstleister, seine Umsatzprognose für dieses Jahr von
mindestens 13 Prozent auf „einen hohen einstelligen Prozentsatz“
deutlich reduzieren.
Trendwende nicht in Sicht
Die Wirtschaftsflaute und die Unsicherheit über die
künftige Geschäftsentwicklung setzt die gesamte
IT-Industrie unter Druck. Wegen Geldmangels legen Firmenkunden ihre
IT-Investitionen auf Eis. Die Branche wartet deshalb
sehnsüchtig auf den Aufschwung. Dann, so die Hoffnung, steige
auch die Investitionsbereitschaft der Kunden wieder.
Diese Trendwende ist derzeit allerdings nicht in Sicht. So
mussten etwa die amerikanischen Hersteller von Unternehmenssoftware
Oracle, Peoplesoft, und Siebel sowie der Weltmarktführer aus
Deutschland SAP eingestehen, dass die wichtige Kennzahl über
den Umsatz aus neu verkauften Softwarelizenzen im abgeschlossenen
Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum dramatisch gesunken ist.
SAP verlor zwölf, Peoplesoft 13 Prozent.
Siebel konnte im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr 26,5
Prozent weniger Umsatz mit Softwarelizenzen erzielen. Dabei galt
gerade die von Siebel bediente Sparte von Software zum
Kundenmanagement als Wachstumsmarkt der Zukunft. Noch schlimmer
erwischte es Oracle. Beim US-Konzern fiel der Umsatz aus
Neuverkäufen binnen eines Jahres um 30 Prozent.
Neu verkaufte Programme sind für Softwarehersteller
lebenswichtig, weil sich aus den Neugeschäften langfristige
Folgeaufträge für Service und Wartung ergeben. Weniger
Umsatz mit neuer Software bedeutet, dass mittelfristig auch die
Einnahmen aus dem Servicegeschäft einbrechen könnten.
Krise erwischt auch Dienstleister
Die Unsicherheit über künftige Geschäfte hat
jetzt sogar IT-Dienstleister erreicht. Lange Zeit galten diese als
krisensicher. Doch seit den ernüchternden Quartalszahlen von
Accenture, Cap Gemini Ernst & Young, EDS oder der IBM-Sparte
Global Services ist klar: Die schlechte Konjunktur hat auch sie
erwischt.
Zwar sind nicht alle Unternehmen gleich stark betroffen. Dennoch
enttäuschten die großen IT-Dienstleister mit ihren
Zahlen und vor allem ihren Prognosen die Erwartungen von Analysten.
Die Marktbeobachter der Bank Credit Suisse First Boston betitelte
einen europäischen Branchenüberblick mit den Worten:
„Eine Fahrt mit angezogener Handbremse“.
Dabei gingen Analysten lange Zeit davon aus, dass die Branche
sogar von der Krise profitieren könnte, da zum Sparen
gezwungene Firmen ihre Computersysteme an IT-Dienstleister
auslagern würden. Tatsächlich ist hier das Geschäft
stark gewachsen. Doch diese so genannte Outsourcing-Sparte ist
nicht mehr in der Lage, die schlechten Geschäfte in den beiden
anderen wichtigen Säulen des Dienstleistungsgeschäfts
auszugleichen: der Beratung und der Systemintegration.
Jean-Christian Jung, Analyst bei der Unternehmensberatung PAC
Group, sagt: „Unternehmen sparen an Beratungsdienstleistungen und
investieren kaum Geld in neue Software.“ Und wer keine neuen
Programme kaufen würde, der bräuchte schließlich
auch niemanden, der die Neuerwerbungen in bestehende
Computersysteme integriert.
© 2002 Financial Times Deutschland